
U-Bahn statt S-Bahn?
In den letzten Tagen ist so einiges in der Presse zu lesen…
NDR, WELT, NahverkehrHamburg, Zeit, MoPo, hamburg.de
Wer morgens im 2er, 3er oder im Expressbus X3 unterwegs ist, weiß: Hamburgs Westen ist am Limit. Überfüllte Fahrzeuge, Verspätungen im Stau und ein Gedränge, das schon an der Haltestelle beginnt. Mit der U5 gibt es eine klare Perspektive – sie kommt, gebaut von der Hochbahn, bezahlt von der Stadt. Aber eben erst in den 2030er-Jahren.
U5 wird verlängert und ist sicher, S6 unsicher – und warum das Hochleistungs-Bussystem mehr Probleme schafft, als es löst
Dr. Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende: „Der Senat hat die Hochbahn heute beauftragt, mit den Planungen der U5 in Richtung Lurup/Osdorfer Born zu beginnen. Ziel ist es, diesen Planungsabschnitt in das Gesamtprojekt der U5 zu integrieren, damit die Menschen in Lurup und im Osdorfer Born von einer schnelleren Anbindung, von einer besseren Taktung und damit insgesamt von mehr Sitzplätzen profitieren. Gleichzeitig konzentrieren wir die Planung der S6 auf den Abschnitt bis zur Science City Bahrenfeld und setzen dadurch alles daran, diese Schnellbahn-Anbindung beschleunigt zu realisieren.“
Die geplante S6 nach Osdorf und Lurup wäre ein echter Gamechanger – schneller, komfortabler, direkt ins Zentrum. Doch sie liegt in der Verantwortung der Deutschen Bahn, die gerade Milliarden in die Sanierung des bestehenden Netzes stecken muss. Neubau? Momentan nicht drin. Die S6 bleibt also ein Platzhalter.
Hochleistungs-Bussystem: Brücke oder Sackgasse?
Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, setzt die Stadt auf ein Hochleistungs-Bussystem (HLB). Die Idee: dichtere Takte, längere Fahrzeuge, wo möglich eigene Spuren. Klingt erstmal nach einer guten Zwischenlösung – aber bei genauerem Hinsehen tauchen gleich mehrere Probleme auf:
Platz ist knapp: In Lurup und am Osdorfer Born gibt es kaum Straßenraum für extra Busspuren. Jeder Meter müsste vom Auto- oder Parkraum abgezwackt werden – Streit ist damit vorprogrammiert. Viele Maßnahmen gibt es schon: Ampelschaltungen wurden verbessert, Haltestellen ausgebaut, Beschleunigungspakete umgesetzt. Viel mehr lässt sich gar nicht rausholen. Die Frage ist also: Was macht ein HLB wirklich neu? Expressbus X3 schon am Limit: Der X3 sollte einmal eine schnelle Direktverbindung in die Innenstadt sein. Heute steckt er im gleichen Stau wie alle anderen Busse – zu den Stoßzeiten ist er oft überfüllt. Wenn das HLB hier ansetzt, stellt sich die Frage: Reicht ein paar Minuten schneller, wenn täglich hunderte Fahrgäste nicht mal mehr zusteigen können?
Gefahr für die S6: Wenn die Stadt jetzt Millionen in ein Bussystem steckt, könnte das die Argumente für die S6 schwächen. Der Bund oder die Bahn könnten sagen: „Ihr habt doch schon ein Hochleistungssystem, warum dann noch eine S-Bahn?“ Damit würde das HLB zum Bremsklotz statt zur Brücke. Akzeptanzproblem: Bus bleibt für viele Fahrgäste Bus – staugefährdet, weniger bequem und weniger verlässlich als eine Bahn. Ob ein neues Logo und ein paar Zusatzspuren das ändern, ist fraglich.
Science City & Olympia: Die wahren Hebel
Während Buslösungen kurzfristig etwas Druck nehmen, entstehen die langfristigen Argumente anderswo:
Science City Bahrenfeld wächst. Mit neuen Forschungsinstituten, Start-ups und Hightech-Firmen wie NXP (800 Jobs) werden täglich mehr Menschen in die Gegend pendeln. Auch PETRA IV wird Strahlkraft weit über Hamburg hinaus entwickeln. Olympia-Bewerbung: Am 31. Mai 2026 stimmt Hamburg über eine Bewerbung ab. Sollte die Stadt den Zuschlag bekommen, könnten zusätzliche Bundesgelder fließen – auch für eine Schienenanbindung. Sicher ist das aber nicht.
Fazit
Hamburgs Westen steht vor einer schwierigen Balance:
U5: sicher, aber noch weit weg.
S6: dringend nötig, aber finanziell und politisch unsicher.
HLB & X3: kurzfristig entlastend, aber mit fragwürdigem Mehrwert und dem Risiko, die S6 auszubremsen.
Für die Menschen in Lurup und Osdorfer Born bleibt der Eindruck: Seit Jahren wird über Lösungen diskutiert, im Alltag aber bleibt der überfüllte Bus – ob 2er, 3er oder X3 – das Standarderlebnis. Die Frage ist deshalb weniger, ob ein HLB kommt – sondern ob es uns wirklich näher an eine echte Schienenanbindung bringt, oder nur Zeit und Geld frisst, die besser in die S6 investiert wären.