Heimstättervereinigung Steenkamp e.V. gegr. 1920

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Bienensterben

Ein offenes Wort zum Bienensterben und kleine Tipps dagegen
aus dem Steenkamper Ausgabe 1/2015 von Gesa Lahner

Das Bienensterben ist in aller Munde. Jeder möchte etwas dagegen tun. Wenn wir vom Bienensterben hören, denken wir in erster Linie an die hierzulande gehaltene westliche Honigbiene „Apis mellifera“. Sie wird von uns Imkern zur Erzeugung von Bienenprodukten (Honig, Wachs, Propolis, Gele Royal) gehalten und gepflegt. Sie ist inzwischen ein domestiziertes Haustier, was über Jahrzehnte durch züchterische Bearbeitung an unsere hiesigen Bedingungen angepasst wurde. Nur so ist eine angenehme Bienenhaltung überhaupt möglich. Kein Imker möchte in der Stadt Bienen mit einem hohen Verteidigungstrieb halten – ein solcher schadet unserem Ruf.

Die hierzulande gehaltene Honigbiene steht allerdings lediglich stellvertretend für über 550 nachgewiesene Wildbienenarten. Davon sind 39 Arten mittlerweile ausgestorben und über 300 Arten stehen inzwischen auf der Roten Liste. Auch der Bestand von Singvögeln geht in einigen Landstrichen zurück, weil ihnen aufgrund des Bienensterbens die Nahrungsgrundlage fehlt. Sicher wird auch das wiederum Folgen auf die Arten haben, die in der Nahrungskette den Singvögeln folgen.

Das Bienensterben werden wir nicht mit ausschließlich domestizierten Honigbienenvölker aufhalten oder ausgleichen können. Auch nützt es auf lange Sicht kaum, die Bienen vom Land in die Städte zu holen. Die Bienenarten leben untereinander und mit anderen Arten in einer Symbiose zusammen. Jede hat seine Aufgaben und Spezialgebiete und nur in ihrer Gesamtheit leisten sie ihren unschätzbaren Beitrag zum Erhalt der Natur und auch der Bestäubung unserer Lebensmittelpflanzen. Als Beispiel sei die Bestäubung eines Apfelbaumes genannt: Einige Bienenarten haben sich darauf spezialisiert, in den oberen Bereichen der Bäume Nektar zu sammeln und damit eine Bestäubung zu absolvieren. Andere Arten fliegen bevorzugt den mittleren Bereich eines Apfelbaumes an und wieder andere Arten eher den unteren Bereich. Oft unterscheiden sich die Bienen in ihren Rüssellängen, so dass die Effektivität der Bestäubung unterschiedlich ist und die Bienen bevorzugt ihrer Rüssellänge entsprechende Pflanzenarten anfliegen. Die Arten sind spezialisiert. Das Besondere an den durch den Imker gehaltenen Honigbienen liegt in ihrer Blütenstetigkeit. Wenn die Bienen morgens eine Pflanzenart anfliegen, um dort Nektar und Pollen zu sammeln und die Pflanze dadurch zu bestäuben, melden die Biene ihrem Volk bei ihrer Rückkehr den „tollen Fund – die tolle Quelle“ und es kommen mehr und mehr Bienen aus ihrem Volk, um dort zu sammeln und zu bestäuben. Sie bleiben ihrer Tracht treu. Das macht die Honigbiene so effektiv für die Bestäubung. Andere Arten fliegen mal hier und mal dort hin, so dass man nicht weiß, ob der Pollen auch den richtigen Partner erwischt und eine Bestäubung erfolgen kann.
Was noch besonders ist an den Honigbienen? Sie werden durch den Imker gepflegt. Im Zeitalter der Varroamilbe ist die Pflege eines Bienenvolkes aufwendig. Ich als Imkerin merke sofort, wenn mein Kasten leer ist. Ich merke, wenn meine Bienen immer weniger werden, weil sie einen Vergiftungsschaden erlitten haben. Ich merke, wenn es meinen Bienen schlecht geht, weil sie hungern, nachdem die großen Monokulturen verblüht sind oder nur noch Maiswüste steht. Natürlich ist Plastik Mist – wir Imker stehen jedoch Biokraftstoff und Produkten aus Maisstärke (Tüten, Becher, Schalen etc.) kritisch gegenüber. Tote wildlebende Insektenvölker bemerkt man aufgrund ihrer Größe nicht sofort. Bei größeren Tieren wie Rehen wäre der Tod einer ganzen Herde sicher auffälliger…
Diese Dinge können wir nur durch Forderungen an unsere Politik und durch unser konsequentes Kaufverhalten beeinflussen.

Als Tipp: die jährliche Demo im Januar, Info unter www.wir-haben-es-satt.de .

Die Stadtflucht der Wildbiene kann jeder für sich in seinem eigenen Garten unterstützen. Dafür ist es nicht zwingend notwendig, selber mit dem wissens- und zeitintensiven Imkern anzufangen. Über jede/n Interessierte/n, der ernsthaft und solide in diesen faszinierenden Bereich eintauchen möchte, freuen wir uns natürlich sehr.

Wie können wir alle helfen, günstige Bedingungen für Insekten zu schaffen?
Gebt den Wildbienen und auch anderen Hautflüglern eine Lebensgrundlage in Euren Gärten. Wir hier in der Siedlung haben den Luxus eines Stücks grüner Idylle in einer großen Stadt wie Hamburg. Die Insekten benötigen einen Ort zum Wohnen und einen reich gedeckten Tisch. Die Arten haben jedoch verschiedene Wohnbedürfnisse.

Einige lieben Lehm: Lehm in einen Pflanzkasten gut festdrücken, ihn nach der Trocknung mit senkrecht an einer trockenen sonnigen Stelle platzieren, 5-8 cm tiefe Löcher hineinbohren, fertig.

Andere mögen Sand: an einer trockenen Stelle (z.B. Dachüberstand) die Erde etwa 50-100 cm tief ausheben und die Grube mit Sand oder lehmigem Sand auffüllen. Die Stelle Vegetationsfrei halten. Auch große Blumentöpfe mit dem o.g. Material aufzufüllen erfüllt ihren Zweck.

Oder: Trockene abgestorbene Stängel von Königskerzen oder Stockrosen im Herbst nicht entfernen, sondern lediglich anschneiden und sich selber überlassen. Einige Arten sind darauf spezialisiert, in den hohlen Stängeln zu leben. Auch mit dicken Brombeerranken geht das gut. Totholzbewohner leben gerne in Harthölzern wie Eiche, Buche, Ahorn, Esche oder Obstholz – ungern in Nadelhölzern aufgrund ihres Harzgehaltes, welches die Gänge verklebt. Löcher von 1-10 mm Durchmesser quer zu den Jahresringen (also in die Oberfläche/Rindenfläche des Stammes und nicht in die Schnittfläche) bohren, die Bohrlöcher unbedingt mit Schleifpapier glatt schmirgeln, dann werden sie besser angenommen. Die Löcher sollten nicht zu kurz sein und am hinteren Ende nicht offen. Auch dürfen durch zu eng gesetzte Bohrvorgänge keine Risse in den Gängen entstehen.

Bienen, die sich ihre Löcher gerne in morsches Holz nagen, kann man Ast- oder Stammschnitte von Laubbäumen an einer möglichst trockenen und sonnigen Stelle anbieten, in dem man das Holz aufschichtet und sich selbst überlässt.

Zuletzt pflanzt viele Blühpflanzen.

In einer Standard-„Kirschlorbeer- un- d-Chinawacholdergartenwüste“ finden die Bienen einfach nichts zu fressen. Auf giftige Spritzmittel sollte auch aus Liebe zur eigenen Gesundheit verzichtet werden.

Auch möchte ich auf die faszinierende Lebensweise anderer Hautflügler, wie Hummeln, Wespen, Hornissen und Ameisen eingehen. Auch sie sind sehr nützliche und in der Symbiose mit anderen Arten wichtige und schützenswerte Lebewesen, die es nicht nur aufgrund ihrer vielfältigen Bestäubungsleistung, zu unterstützen gilt. Hummelköniginnen, Hornissenköniginnen und Wespenköniginnen überwintern in der Natur alleine. Diese Hautflügler bewohnen ihr Nest nur ein Jahr lang. Bis auf die Königinnen stirbt der Rest des Volkes im Spätsommer (September/Oktober) ab. Im Frühling (April/Mai – nach warmen Wintern auch früher) suchen die Königinnen sich einen geeigneten Platz, um ein neues Nest für ihre Nachkommen (dem späteren Volk) aufzubauen. Wenn Ihr also im Frühjahr eine Hummel oder eine Wespe seht – so kann das nur eine Königin auf Wohnungssuche sein. Wir sollten sie dabei nicht stören und ihnen Nistmöglichkeiten zur Verfügung stellen und sie so erhalten und unterstützen.

Uns Imker unterstützen die Wespen und Hornissen in der natürlichen Auslese. Sie fressen die alten und schwachen Bienen, die außerhalb des Bienenstockes ihren Außendienst schieben müssen. Die Bienenvölker würden keine jungen und gesunden Bienen der Gefahr des Außendienstes aussetzten. Sie benötigen die Jungbienen zur Brutpflege. Die Honigbiene hat als Sammlerin ihre letzte Beförderungsstufe in ihrem Leben erreicht. Hornissen sind nachtaktive Tiere und Flugjäger. Angst muss man nicht vor ihnen haben – in der Regel sind sie sehr sanftmütig. Sie haben einen abwechslungsreichen Speiseplan, zu denen auch Wachsmotten, Nachtfalter und andere Mottenarten gehören. Wespen und Hornissen helfen, das natürliche Gleichgewicht zu erhalten. Die ersten Waldimker auf der Erde waren übrigens die Ameisen. Auch sie gehören zu den Hautflüglern. So gesehen kopieren wir Imker sie. Die Waldameisen pflegen die Honigtauerzeuger wie Blattläuse, Lachniden und Schildläuse im Winter. Sie stellen ihre Speisekammer dar. Sie schützen ihre Futterquelle, indem sie ihre Nester beschützen und pflegen – so wie wir Imker unsere Honigbienen.

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, wie wichtig der Erhalt und der Schutz anderer Hautflügler für die Kreisläufe der Natur und auch für die Imkerei ist. Die anderen Hautflügler stellen nicht nur für unsere Biene eine Gesundheitspolizei dar. Jede Art ist für sich äußerst spannend in ihrer Lebensweise. Jeder, der ihre wahnsinnig faszinierenden Baukonstruktionen bereits bewundern durfte, weiß um ihre Einzigartigkeit. Sie sind eine Ingenieursleistung.
Am Ende profitieren wir alle davon, unseren kleinen bewussten Beitrag zum verantwortungsvollen Umgang mit diesen Lebewesen geleistet zu haben. Oft reichen bereits kleine Maßnahmen.

Ich hoffe, mein Beitrag ist anregend und aufklärend für Euch. Keines Falls ist er als erhobener moralischer Fingerzeit zu verstehen.

Zu guter Letzt und weil die Frage immer wieder auftaucht: in einem Wohngebiet ist es gestattet bis zu 6 Bienenvölker in seinem Garten zu halten. Bienenhaltung muss wie andere Nutztierhaltung auch bei der Veterinärbehörde angemeldet werden. In unserer Siedlung gibt es aktuell über 10 Imker – wer hätte das gedacht? Sollte sich ein Bienenschwarm im Sommer in Eurem Garten niederlassen, ruft mich gerne an: Tel: 53027643. Ich hole ihn ab oder lasse ihn abholen. Alleine wird er über Kurz oder Lang der Varroamilbe zum Opfer fallen. Ein Bienenschwarm ist ein beeindruckendes Naturschauspiel. Habt keine Angst. Bienenschwärme sind in der Regel sehr sanftmütig – sie haben mit sich selbst zu tun und interessieren sich nicht für uns Menschen. Wenn Ihr Euch traut und uns helfen wollt, den Schwarm an Ort und Stelle zu halten bis wir da sind, bestäubt ihn mit einer Blumenspritze sanft mit Wasser. Das hindert den Schwarm am Weiterfliegen.

Herzlichst Grüßt Eure Nachbarin aus dem Hochfeld,
Imkerverband Hamburg e.V. 1.Vorsitzende

Gesa Lahner

Bienen